In meinem Coachingstudium wurde das Mantra “fehlerfreundlich Üben” nervtötend oft wiederholt. Nervtötend, weil ich gern total locker und cool gewesen wäre – es aber leider kein kleines bisschen sein konnte. Gedanklich hatte ich das Konzept natürlich verstanden – übertragen und anwenden konnte ich es nicht.
Ich bin oft erschüttert und erschrocken, dass oft schon Kinder mit ähnlich hohen Erwartungen an sich selbst oder an das Ausprobieren von etwas heran gehen. Ich weiß noch, dass es meiner Tochter in der 1. Klasse total wichtig war, SCHÖN zu schreiben, die Lehrerin wollte aber, dass es SCHNELL sein sollte und dass die Zeilen genau eingehalten werden. Ich sollte mit ihr SCHMIEREN auf Zeit üben. Und das habe ich tatsächlich probiert, bevor ich mich getraut habe, das abzulehnen.
Auch in meiner Arbeit mit Menschen begegnet mir immer wieder diese fest verankerte Erwartung, etwas von Anfang an gut zu können! Ohne es jemals vorher geübt zu haben.
Spannend ist, dass natürlich auch die entspanntere Haltung, es lockerer anzugehen und sich Unsicherheit zu erlauben, nicht von Afang an super klappt – und auch das darf sein.
Für mich ist es etwas, das ich mir selbst immer wieder vergegenwärtigen muss, weil in der klassischen Musik Perfektion, also die Freiheit von Fehlern (!!!) NORMAL und das Mindeste ist. Daraus resultiert NATÜRLICH – auch in anderen Lebensbereichen – die Erwartung und schließlich der Druck und die Angst, etwas Neues auszuprobieren und ERSTMAL ungeschickt, unsicher oder peinlich zu sein. Es kann immens befreiend sein, sich selbst zu erlauben und bewusst zu üben, grottenschlecht und peinlich oder schlicht AnfängerIn zu sein – und lernen, wachsen und sich entwickeln zu dürfen.